BERCHTESGADEN/GOLLING – Einsatzkräfte der Bergwacht Berchtesgaden, der Bergrettung Golling und der Polizei aus Bayern und Salzburg haben in der Nacht von Sonntag auf Montag einen vermissten 49-jährigen Tschechen am Hohen Göll gefunden und in einer nächtlichen Rettungsaktion mit zwei Hubschraubern nahezu unverletzt aus einer Felswand gerettet.
Der 49-jährige tschechische Wanderer war den Ermittlungen des Berchtesgadener Polizeibergführers zufolge zusammen mit seiner 52-jährigen Begleiterin auf einer geplanten Mehrtagestour unterwegs, wobei ihn die Frau dann am Sonntagabend bei der Polizei als vermisst meldete. Das Duo war bereits am Samstag in Schönau am Königssee losgegangen und wollte nach dem Aufstieg von Hinterbrand über das Alpeltal das Hohe Brett überschreiten und dann am Stahlhaus übernachten. Aufgrund des vielen Altschnees und der nur leichten Schuhe verweigerte der Mann im Bereich des Großen Archenkopfes das weitergehen und trennte sich von seiner Begleiterin. Die Frau ging zum Stahlhaus und übernachtete dort; laut ihren Angaben wollte der Mann umkehren. Als sie am Sonntag nichts mehr von ihm gehört hatte und auch keinen Kontakt zu ihm bekam, meldete sie ihn gegen 17 Uhr bei der Polizei als vermisst.
Die Besatzung des Polizeihubschraubers „Edelweiß 6“ suchte auf der bayerischen Seite des Göll-Massivs mit dem Polizeibergführer und einem Bergwachtmann rund eine Stunde lang bis zum Einbruch der Dunkelheit die klassischen Abstiegsrouten und bekannten Wege ab. Die Salzburger Flugpolizei übernahmen anschließend die weitere Suche mit einem nachtflugtauglichen Polizeihubschrauber mit Wärmebildkamera auf der Gollinger Seite (Salzburger Tennengau) des Bergs zwischen Bluntautal und den Südostwänden, wobei sie dann gegen 23 Uhr in rund 1.900 Metern Höhe in den Südabstürzen des Hohen Bretts den Mann fanden, der rund 600 Höhenmeter durch wegloses Absturzgelände abgeklettert war, in der steilen Wand in einer Nische an einem Felsabbruch rund 20 Meter oberhalb des Wandfußes festsaß und mit Lichtzeichen auf sich aufmerksam machte. Der zur Suche ausgestattete österreichische Heli konnte in der Nacht keine Rettung durchführen.
Nach Rücksprache mit der Polizei fuhr deshalb die Mannschaft der Bergrettung Golling gegen Mitternacht in das Oberjoch, von wo sie rund 400 Höhenmeter bis zum Wandfuß aufstieg. Der Polizeihubschrauber zeigte den Rettern dabei mit dem Scheinwerfer den genauen Standort des Verstiegenen an, wobei die Besatzung auch die genauen Koordinaten übermittelt hatte. Die Gollinger Bergretter konnten bis auf wenige Meter zu dem Wanderer zusteigen und hatten bereits Rufkontakt. Die Berchtesgadener Polizei hatte in der Zwischenzeit bei der Polizeihubschrauberstaffel Bayern angefragt, die extra eine Besatzung mit Nachtflug- und Winden-Berechtigung aus der Freizeit alarmierte und zusammenstellte und zum Hohen Brett losschickte. Die Salzburger „Libelle“ und „Edelweiß 6“ landeten beide am Großparkplatz Königssee, besprachen sich dort mit zwei Berchtesgadener Bergrettern, flogen dann mit beiden Maschinen ins Bluntautal, wo sie gegen 2 Uhr die Retter mit der Winde in der Wand absetzten und dann mit dem Tschechen ins Tal zum Königssee flogen, wo eine Rettungswagen-Besatzung des Berchtesgadener Roten Kreuzes bereitstand, um den bis auf ein paar Abschürfungen nahezu Unverletzten kurz durchzuchecken. Der Mann musste nicht ins Krankenhaus und verbrachte die restliche Nacht in seinem Auto.
Durch die Nacht-Winden-Aktion mit dem Heli blieb den Gollinger Bergrettern eine schwierige und aufwendige Rettung aus der Wand erspart. Die Ehrenamtlichen stiegen noch in der Nacht ins Oberjoch ab und fuhren zurück ins Tal, wobei der Einsatz bis kurz vor 4 Uhr in der Früh dauerte.
Der Verstiegene hatte zwar ein Hemd und eine Daunenjacke, allerdings nur eine kurze Hose und komplett durchnässte Turnschuhe an; er konnte keine Hilfe holen, da sein Handy keinen Empfang und keinen Akku mehr hatte. „Es grenzt fast an ein Wunder, dass er in dieser Situation und mit dieser Ausrüstung bereits die zweite Nacht in der Wand überstanden hatte. Seinen Rucksack hatte er bei dem weglosen Abstieg durch die Südabstürze des Brettriedel verloren“, berichtet der Berchtesgadener Polizeibergführer Jörg Fegg. In diesem Zusammenhang weisen die Einsatzkräfte noch einmal darauf hin, dass derzeit noch enorme Mengen an Altschnee in den höheren Lagen der Gebirge liegen und dies bei der Tourenplanung, als auch bei der Ausrüstungswahl mit berücksichtigt werden sollte. Mit der für die kommenden Tage angekündigten massiven Erwärmung muss auch mit vermehrten Schneerutschen aus noch schneebedeckten Bändern gerechnet werden.
Fotos © Bergrettung Golling / Salzburger Landeskorrespondenz vom 7. Mai 2018 & BRK BGL